Wie für viele andere Bünde und Gemeinschaften in der Szene der Jugendbewegung, so stellt auch für uns eine Herbstfahrt oft den Abschluß eines Fahrtenjahres dar. Hier ist genug Zeit, innerhalb der Gruppe noch einmal über das zurückliegende Jahr nachzudenken und sich an positive und auch weniger positive Aspekte zu erinnern.
Auch unsere fahrtenschaft polaris, genauer ihre drei Mitglieder glis, elchi und ramses, zieht an einem
Oktoberwochenende im Herbst 2003 noch einmal für zwei Tage auf Fahrt. Das Ziel
diesmal: der Westerwald zwischen Oberbieber und
Bendorf. Zwar ist hier der bekannte Pfadfinderzeltlagerplatz Brexbachtal nicht weit, jedoch kommen wir diesmal nicht
unmittelbar in seine Nähe.
Beginn unserer Wanderung ist ein Waldstück unweit von Oberbieber. Hier können wir zunächst dem Verlauf des römischen Limes folgen. Über Kilometer zieht sich dieses historische Bauwerk durch den Wald und wer ein wenig sucht und die Karte gut zu lesen weis, der findet hier und da auch noch ein paar Bodendenkmäler, an denen zu römischer Zeit Türme oder Castelle gestanden haben müssen. Bei unserer Wanderung durch den nassen Herbstwald treffen wir nur auf wenig andere Menschen. Einsam und verlassen liegt der Rheinhöhenweg, dem wir teilweise folgen, vor uns. Von Bäumen und Büschen tropft es unentwegt. Lange kann der letzte Regen noch nicht zurückliegen. Doch wir haben hoffentlich Glück und bleiben verschont.
Weiter geht es dann, weg vom Limes in die Nähe des Saynbachs. Hier, in luftiger Höhe über dem Talgrund, steht
mitten im dichten Wald, einsam und verlassen die Kirchenruine Hausenborn.
„Unsere Liebe Frau zu Hausenborn“ war eine Wallfahrtskirche, die vermutlich von
den Herren von Isenburg gestiftet worden ist. 1441 fand die Einweihung des
Hauptaltars in dem gotischen 22,8 m langen Gotteshaus statt. Über Jahre wohnte
der Pfarrer von Isenburg zusammen mit wenigen Einsiedlern hier im Wald. 1788
wurde die Kirche aufgegeben. Heute befindet sich in der ehemaligen Sakristei der
erstaunlich gut erhaltenen Kirche ein kleine Kapelle.
Für uns ist das imposante Bauwerk ein interessantes
Stück Geschichte, das es zu erkunden gilt. Auch die
Mittagsrast halten wir hier ab.
Dann geht es weiter. Zu lange Pause zu machen ist auch nicht
sonderlich empfehlenswert. Trotz vereinzelter Sonnenstrahlen, die durch das
dichte Blattwerk bis hinunter zu uns dringen, ist es doch noch recht kühl und
feucht. Auf dem nächsten Stück müssen wir uns vorsehen. Steil geht es bergab zum
Saynbach. Auf feuchtem Fels und Laub ist dies mit
unserem Gepäck trotz der Wanderschuhe nicht ungefährlich. Unten im Tal
angelangt ist es dann aber nicht mehr weit bis nach Isenburg einem kleinen
Dörfchen, das sich im engen Tal rund um den Burgberg mit einer Ruine gleichen
Namens schmiegt.Vom Tal aus haben wir einen guten Ausblick auf die hoch über dem Marktflecken gelegene Festung.
Das Dorf zeichnet sich durch eine außergewöhnliche
topographische Lage aus. Innerhalb der Ortslage fließen der Ommels-, der Wiebels- und der
Iserbach in die Sayn. Dadurch entstanden tief
eingeschnittene Seitentäler, die den in früheren Zeiten so wichtigen Ackerbau
nicht zuließen. Vom 17. bis Anfang des 20. Jh. bestritt die Bevölkerung ihren
Lebensunterhalt durch das Nagelschmiedehandwerk, als Nebenerwerb diente der
Hopfenanbau. Diese für Isenburg typische Lage ließ natürlich auch keinen Platz
für Industrieansiedlungen. So ist der Ort heute eine Wohn- und
Fremdenverkehrsgemeinde. Beherrscht wir der Flecken zum einen durch die 192
m hoch gelegene Ruine der Isenburger Burg, zum anderen durch die aus
Bruchsteinen gebaute Pfarrkirche. Wir erkunden von der Kirche aus zunächst die
Umgebung, wollen einen Weg zum Aufstieg auf die Burg finden.
Das ist gar nicht so einfach, führt doch nur ein kleiner,
schmaler, halb zugewachsener Trampelpfad hinauf. Oben angekommen sind wir
zunächst ein wenig enttäuscht: die Ruine ist nicht gut erhalten, die wenigen
noch stehenden Mauern, die vom Tal her allerdings noch
imposant wirken, scheinen von hier oben betrachtet doch eher wackelig und
brüchig zu sein. Überall liegen Bruchsteine herum, von Mauern, die noch nicht
allzu lange umgefallen sein können. Zwischen den Mauern wuchern junge Bäume in
den Himmel. Insgesamt zeigt sich die Burg für fahrendes Volk auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz
nicht sonderlich einladend. Doch glücklicherweise finden wir am nördlichen Ende
der Festung, oberhalb der Kirche des Dorfes einen kleinen, ebenen, grasbewachsenen Flecken, gerade groß genug, um eine Kohte zu
beherbergen. Und als Zugabe gibt es dort sogar eine große Eiche, dessen
ausladendes Geäst zum Hochziehen unseres Schwarzzeltes wie geschaffen zu sein
scheint.
Nachdem wir uns hier häuslich niedergelassen haben, steigen
wir nochmals zurück in das Tal, um Wasser nachzufassen und werden wieder einmal
Zeuge der Freundlichkeit, die man uns als Pfadfindern unterwegs zuteil werden
lässt: wir bekommen nicht nur reichlich Trinkwasser, sondern gleich auch noch
Kuchen geschenkt. Zurück auf „unserer“ Burg für diese Nacht, bereiten wir alles
für den heutigen Abend vor, richten die Kohte ein, schlagen Feuerholz, bereiten
uns auf die abendliche Versprechensfeier vor. Im letzen Licht des Tages essen
wir vor der Kohte noch zusammen zu Abend und elchi
klampft ein wenig für uns.
Danach entzünden wir das Feuer und haben wieder Glück. Trotz der ausgiebigen Niederschläge der letzten Tage brennt bald ein gutes und vor allem sehr rauchfreies Feuer, das uns Wärme, Licht und Geborgenheit spendet. In diesem Rahmen vollziehen wir die Versprechensfeier von glis, der nun endlich auch mit allen Rechten und Pflichten zu uns gehören wird. Schade, dass die anderen nicht dabei sein konnten. Nach erneutem Nachtmahl und Gitarrenspiel schlafen wir bald ein.
Zunächst wärmt uns noch die Glut der letzten Scheite, die wir auf das Feuer geworfen haben, doch später in der Nacht merken wir, das Burgberge doch recht zugig sein können. Kalte und feuchte Luft kriecht nach und nach in die Kohte und die Schlafsäcke. Draußen ist es mondhell. Trotz allem wachen wir erst spät wieder auf. Isenburg liegt unter uns im Nebel. Wir hier oben erahnen bereits, daß in Kürze die Sonne durchbrechen wird.
Und so ist es auch. Dieser Tag wird schön, die Sonne scheint
von einem blauen Himmel, so dass es fast schon wieder zu warm zum Wandern ist.
Nach dem Zusammenpacken ziehen wir zunächst entlang des Iserbaches talaufwärts
und folgen später dem Steinebach. Dann geht es wieder
tiefer in den Heimbacher Wald, zurück zum an einem
Waldparkplatz auf uns wartenden Auto. Eine schöne Fahrt geht wieder einmal zu
Ende. Doch wir wissen, es war nicht unsere letzte.